Stellungnahme zu den kommunalen Risiken im Zusammenhang mit Investitionen in Klärschlammverbrennungsanlagen – Vergleich mit dem Atomkonsens
Dem Rat der Stadt Göttingen liegt am 14. März 2025 eine Beschlussvorlage der Verwaltung zur Beschlussfassung vor, die es in sich hat:
Die Inkaufnahme finanzieller Risiken in hundertfacher Millionenhöhe soll durch die Mitglieder des Stadtrats eben mal so besiegelt werden.
Hier verlinkt eine ausführliche Stellungnahme meinerseits dazu und im Folgenden mein Redebeitrag im Stadtrat, mit welchem ich meine Anmeldung von Beratungsbedarf in der Ratssitzung am 14. März 2025 begründe:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrte Menschen im Publikum hier vor Ort und an den Empfangsgeräten zuhause,
wir stehen hier vor einer weitreichenden Entscheidung für unsere Stadt. Die Frage ist: Investieren wir Millionen Euro in Klärschlammverbrennungsanlagen – und riskieren damit, dass Göttingen in eine finanzielle Sackgasse gerät?
Die Bundesregierung behauptet, dass die Klärschlammverbrennung die beste Lösung sei. Doch schauen wir genauer hin, dann erkennen wir: Dieses Modell ist hochriskant und könnte für unsere Stadt teuer werden.
Es gibt eine besorgniserregende Parallele zu einer der größten politischen Fehlentscheidungen der letzten Jahrzehnte: dem Atomkonsens von 2001. Lassen Sie mich erklären, warum.
Der Atomkonsens von 2001 – Ein Milliarden-Debakel für den Steuerzahler
Im Jahr 2001 beschloss die Bundesregierung den Atomausstieg. Eine der zentralen Bedingungen für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke war ein Entsorgungsnachweis für den Atommüll. Die Betreiber mussten nachweisen, dass sie eine langfristige Lösung für ihren radioaktiven Abfall haben.
Das Problem? Es gab kein Endlager.
Weder für schwach- und mittelradioaktive Abfälle noch für hochradioaktiven Müll existierte eine Lösung. Dennoch wurden Milliarden in Zwischenlager investiert – mit der Hoffnung, dass sich das Problem irgendwann von selbst löst.
Und was ist passiert?
Bis heute gibt es kein funktionierendes Endlager. Stattdessen hat der Staat die Verantwortung übernommen – mit einem gewaltigen finanziellen Risiko.
Bis 2030 werden die Kosten für Rückbau und Entsorgung der Atomkraftwerke auf über 500 Milliarden Euro steigen. Doch die Energieunternehmen haben dafür nur 24 Milliarden Euro zurückgelegt. Den Rest zahlt – wer wohl? Der Steuerzahler.
Das ist die bittere Wahrheit: Eine politische Entscheidung ohne tragfähiges Konzept hat uns in eine Finanzkatastrophe geführt. Und jetzt droht dasselbe Szenario bei der Klärschlammverbrennung.
Nun zu den Parallelen bei der Klärschlammverbrennung
Auch hier wird auf eine technische Lösung ohne langfristige Sicherheit gesetzt.
Der Bund und die Länder drängen uns dazu, Hunderte Millionen Euro in Klärschlammverbrennungsanlagen zu investieren. Sie argumentieren, dass dies eine „Recyclingmaßnahme“ sei, weil Phosphor aus der Asche zurückgewonnen wird.
Doch genau hier liegt das Problem:
- Die EU könnte in wenigen Jahren entscheiden, dass die Klärschlammverbrennung keine Verwertung, sondern eine reine Beseitigung ist. In Frankreich, Spanien und anderen EU-Ländern setzt man längst auf landwirtschaftliches Recycling, das nachweislich ökonomisch, ökologisch und sozial verträglicher ist.
- Wenn die EU tatsächlich so entscheidet, wären unsere Verbrennungsanlagen plötzlich keine Recyclinganlagen mehr, sondern nichts anderes als teure Müllverbrennungsanlagen.
- Das bedeutet: Unsere Investitionen wären hinfällig, die Anlagen wären wertlos, und wir müssten erneut Hunderte Millionen Euro ausgeben, um uns einer neuen Gesetzgebung anzupassen.
Genauso wie beim Atomkonsens könnten wir am Ende mit riesigen Fehlinvestitionen dastehen, weil wir uns auf eine politisch gesteuerte Lösung verlassen haben, die sich später als falsch herausstellt.
Die finanziellen Risiken für Göttingen
Und was bedeutet das konkret für unsere Stadt?
Erstens: Wir setzen uns einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko aus.
Wenn die EU die Klärschlammverbrennung nicht mehr als Recycling anerkennt, verlieren wir nicht nur die Investitionen, sondern stehen auch vor gewaltigen Nachrüstungs- und Umbaukosten.
Zweitens: Die langfristigen Betriebskosten sind nicht gesichert.
Die Kosten für die Entsorgung der Klärschlammasche könnten drastisch steigen, wenn neue Umweltauflagen kommen. Wer wird das bezahlen? Natürlich die Kommunen – und damit die Bürgerinnen und Bürger.
Drittens: Wir verbauen uns bessere Alternativen.
Andere europäische Länder setzen längst wieder auf die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung – eine Lösung, die wirtschaftlich und ökologisch viel sinnvoller ist.
Deutschland dagegen hat sich politisch in eine Richtung bewegt, die teuer, ineffizient und langfristig kaum tragbar ist.
Was müssen wir jetzt tun?
Wir dürfen nicht denselben Fehler machen wie beim Atomkonsens.
Wir dürfen nicht blind auf ein Konzept vertrauen, das finanziell und rechtlich auf wackligen Beinen steht.
Deshalb fordere ich:
- Keine vorschnellen Investitionen in Klärschlammverbrennungsanlagen.
Wir müssen erst abwarten, wie sich die EU-Regelungen entwickeln. - Eine ehrliche Prüfung alternativer Entsorgungswege.
Wir dürfen uns nicht auf eine einzige Technologie versteifen, die uns später teuer zu stehen kommt. - Ein finanzielles Risikomanagement für die Stadt.
Wir müssen sicherstellen, dass Göttingen nicht in eine finanzielle Falle gerät. - Transparenz in der Entscheidung.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, welche Risiken mit der Klärschlammverbrennung verbunden sind – und wer am Ende die Kosten trägt.
Fazit – Verantwortung übernehmen, bevor es zu spät ist
Meine Damen und Herren, es geht hier nicht um eine Kleinigkeit. Es geht um eine langfristige Entscheidung mit erheblichen finanziellen Folgen.
Der Atomkonsens hat uns bereits gezeigt, wie gefährlich es ist, Milliarden in eine politische Entscheidung zu stecken, ohne eine tragfähige Lösung zu haben.
Lassen Sie uns aus der Geschichte lernen. Lassen Sie uns keine Entscheidung treffen, die uns in 20 Jahren finanziell ruiniert.
Ich fordere Sie auf: Treffen wir eine nachhaltige und verantwortungsvolle Entscheidung für Göttingen!
Daher melde ich für diesen Tagesordnungspunkt Beratungsbedarf.
Zwischenzeitig habe ich auf meiner Website edgarschu.de eine ausführlichere Stellungnahme zur Verfügung gestellt, die einzelne Punkte darlegt.
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