Im Göttinger Stadtrat hatten alle Fraktionen und Gruppen, mit Ausnahme der USE-Ratsgruppe, der ich angehöre, für die Sitzung am 14.2.2025 einen Antrag „Kommunale Brandmauer schützen“ eingereicht.
Inhalt des Antrags ist, dass die CDU im Bundestag für ihr gemeinsames Abstimmen mit der AFD zum Thema Migration kritisiert wurde und man gewissermaßen gelobt, selber niemals gemeinsam mit der AFD zu stimmen.
Hier ein Link auf den Antrag (inkl. Begründung) auf der Seite der Stadt Göttingen.
Der Wortlaut des Antrages:
Der Rat der Stadt Göttingen möge beschließen:
- Die Mitglieder im Rat der Stadt Göttingen verpflichten sich, auch in Zukunft nicht
mit Parteien, die rassistische, demokratiefeindliche oder rechtsextremistische
Positionen vertreten, zusammenzuarbeiten oder ihre Unterstützung für
Mehrheiten im Rat billigend in Kauf zu nehmen. - Der Rat der Stadt Göttingen verurteilt die Zusammenarbeit von CDU und FDP mit der AfD im Bundestag als Mehrheitsbringerin.
Diesem Antrag wollte ich als Ratsmitglied so nicht zustimmen, weil ich ihn für ungeeignet hielt, das vorgebliche Ziel verfolgen, nämlich, das Erstarken rechter und menschenfeindlicher Politik in Deutschland abzuwehren.
Denn die Politik der „demokratischen“ Parteien hat heute wieder einen Zustand von Arm und vor allem Reich hervorgebracht, der der Situation Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts gefährlich nahe kommt. Hierzu verweise ich zum Beispiel auf die Veröffentlichungen auf der Seite ungleichheit.info. Schuld daran sind die sich demokratisch nennenden Parteien, die es geschafft haben, immer weiter politische Veränderungen im Interesse einer kleinen Minderheit umzusetzen und sich durch Täuschung der Wähler von einer Mehrheit wählen zu lassen, deren Interessen systematisch, Schritt für Schritt unter die Räder kommen – von diesen Parteien rücksichtslos überfahren werden.
In ihrer Verzweiflung suchen die Leute nach der erstbesten „Opposition“, der zu allem Überfluss zu wichtigen aktuellen Themen wie vor einiger Zeit „Corona“ und jetzt „Ukrainekrieg“ auch noch von der potentiellen Oppositionspartei DIE LINKE das Monopol der Opposition überlassen wurde – gerade mit einer Brandmauer-Strategie geschah das: Die Partei, von der sich die Bevölkerung oppositionelle parlamentarische Arbeit erhofft hatte, näherte sich in den aktuellsten bundespolitischen Diskussionen den Parteien SPD, Grüne, CDU/CSU und FDP an und ermöglichte es der AFD so, als alleinige Opposition aufzutreten. Mit dem Antrag im Göttinger Stadtrat sollte diese Strategie weiter zementiert werden.
Dem habe ich mich in den Weg gestellt.
Im Göttinger Lokalblatt der Madsack-Gruppe, Göttinger Tageblatt, war über meine Rede ausschließlich zu lesen: „Zuvor hatte Edgar Schu (USE) für einen Eklat bei den anderen Ratsmitgliedern gesorgt: Er verneinte die Gefährlichkeit der AfD zum jetzigen Zeitpunkt.“
Hier dokumentiere ich daher meine vollständige Rede, wie ich sie am 14. Februar 2025 im Stadtrat gehalten habe.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger!
Geehrte Ratskollegen,
Sie haben mit diesem Antrag die Bundespolitik ins Göttinger Neue Rathaus geholt. Daher erlaube ich mir, diesen Antrag auch auf der Ebene zu kommentieren.
Auch wenn es sein könnte, dass in der AFD ein enorm gefährliches Potential schlummert, das uns in Zukunft Hören und Sehen vergehen lässt, kann man dies zur Zeit nicht nachweisen.
Zum Jahreswechsel 2023/2024 fanden bundesweit riesige Demonstrationen statt, die durch Politik und Medien befeuert wurden. Sie sollten die AFD wegen eines angeblichen Geheimtreffens bei Potsdam als antidemokratische Kraft brandmarken. Die so angegriffene Partei und ihre Wähler bekamen aber immer mehr Futter, selbst nachzufragen, inwiefern diese Aktionen gegen sie demokratisch seien.
Offenbar ist die Strategie des Ausgrenzens nicht erfolgreich gewesen. Die Wahlprozente der AFD haben kontinuierlich zugenommen.
Und es ist auch demokratisch problematisch, zu versuchen diejenigen, die diese Partei gewählt haben, einfach auch mit ihren Wählerstimmen „draußen“ zu halten. In einer Demokratie lässt sich auf diese Weise nicht zwischen Wählern und der Partei unterscheiden.
Wenn all diese einfachen Wege nicht erfolgreich beschritten werden können.
Was wäre dann meiner Meinung nach der schwierigere, aber vielleicht doch Erfolg versprechendere?
Eine Möglichkeit wäre, die AFD dort anzugreifen, wo sie nur so tut, als wenn sie die Interessen der Mehrheitsbevölkerung, mit anderen Worten: „der kleinen Leute“, mit noch anderen Worten „der Erwerbstätigen“ vertreten würde.
Wenn man sich das Wahlprogramm dieser Partei anguckt, dann sieht man sofort, dass sie Politik für eine kleine reiche Minderheit macht.
Aber darin unterscheidet sie sich leider nicht von den Parteien, welche die AFD gerne bekämpfen würden.
Ist es für die vier Parteien, die in den letzten Jahrzehnten die Bundesregierung gestellt haben, vielleicht so schwierig, die AFD an diesen Punkten entschlossen anzugreifen, weil sie dann ihre eigene Politik rückwirkend und auch aktuell grundlegend kritisieren müssten?
Von den diversen sogenannten Gesundheitsreformen, über die Privatisierungspolitik, der öffentliche Wohnungsbestände, Krankenhäuser, vor längerer Zeit auch die Bundespost und viel anderes zum Opfer gefallen ist, was die Bürger für eine sichere Daseinsvorsorge benötigen. Weiterhin gehört zu diesem Politikmodell die investorenfreundliche Wohnungs- und Steuerpolitik und überhaupt eine Steuerpolitik, die sozialversicherungspflichtig erarbeitete Einkommen höher besteuert als Kapitalerträge.
Die Liste ist lang und hier wäre für SPD, CDU, FDP und Grüne eine lange Liste von Politikkonzepten rückabzuwickeln.
Da ein Antrag, nach vielen Jahren der erfolglosen „Brandmauer“-Politik, diese noch energischer zu betreiben, nur noch weiter vom oben Erwähnten ablenkt, kann ich diesem Antrag nicht zustimmen.
Ich habe nun also einen Vorschlag unterbreitet, was meiner Meinung nach eher Erfolg versprechend wäre als eine Brandmauerpolitik.
Im aktuellen Spiegel spricht sich der Historiker Prof. Winkler gegen eine solche Brandmauerpolitik aus. Er gibt zu bedenken, dass man die AFD, wenn man mit ihr nicht gemeinsam stimmen möchte, monopolartig bestimmen lasse, was richtig und was falsch sei.
Ich möchte dazu selber ein Beispiel nennen:
Es kann doch nicht sein, dass man vermeiden muss, z.B. einen Corona-Untersuchungsausschuss gemeinsam mit Stimmen der AFD durchzusetzen. Genau so etwas ist aber schon nicht mehr möglich, wenn man diesem Antrag zustimmt. Man muss die Bevölkerung, die sich hier Klärung erhofft, im Stich lassen.
Daher werde ich gegen diesen Antrag stimmen.
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